Anknüpfend an den im letzten Beitrag begonnenen Rundgang um den Herderpark möchte ich nun den „Friedrich-Engels-Hof“, benannt nach dem Philosophen und Sozialpolitiker Friedrich Engels (1820-1895) [1], vorstellen. 1925 errichtet, stoßen wir bei seinen Erbauern auf die bereits von den Selbstversorgersiedlungen (Blogbeitrag Februar 2025) bekannten Architekten Franz Kaym und Alfons Hetmanek, hier einmal mehr unterstützt durch Hugo Gorge, die hier 174 Wohnungen, auf insgesamt 10 Stiegen verteilt, geschaffen haben. [2] Gemeinsam realisierten die drei Architekten auch den im Mai-Beitrag dieses Jahres vorgestellten „Karl-Höger-Hof“, an dessen Fassadengestaltung wir hier sogleich erinnert werden.
Franz Kaym/ Alfons Hetmanek/ Hugo Gorge, Friedrich-Engels-Hof, 1925, Fassade am Herderplatz.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
Wie bereits beim „Alfons-Petzold-Hof“ wird hier auf die Straßenkrümmung des Herderplatzes Rücksicht genommen, darüber hinaus findet sich innerhalb einer Blockverbauung ein begrünter Innenhof. [3] Der Architekturpublizist Friedrich Achleitner betont bei diesem Bauwerk vor allem den Konflikt der Architekten zwischen den bereits bestehenden kleinteiligen Baukörpern entlang der Grillgasse mit dem neu zu schaffenden Großprojekt entlang der konkaven Platzfront entlang des Herderplatzes. [4]
Ornamentierte flankierende Erker des „Friedrich-Engels-Hofs“ entlang des Herderplatzes.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
Mittels Fassadenrücksprüngen wird diese Front zusätzlich durch lange, eingeschoßige sowie überdachte Gitterbalkone im ersten Stock sowie durch zwei stark ornamentierte flankierende Erker im zweiten Stock betont, was die Dimension des Platzes hervorhebt.
Eingangsbereich in der Ehamgasse mit Blick in den begrünten Innenhof.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
Die Blicke auf sich zieht vor allem auch der über zwei Geschoße ragende Durchgang in der Ehamgasse, der mit seinem kräftigen, geometrischen Fassadendekor [5] sowie den beiden Spitzerkern in Dreiecksform mit darüber liegenden Balkonen diesen Bereich dominiert. Dieses Gestaltungselement wird uns im Beitrag noch ein weiteres Mal begegnen.
Aufgrund der zeitlichen Nähe aller Wohnhausanlagen ergibt sich somit ein sichtbarer Zusammenhang zu einem homogenen Ganzen, wenngleich verschiedene Architekten an der Umsetzung beteiligt waren und jedes Bauprojekt für sich genommen, trotz manch übereinstimmender Bauelemente, eine eigenständige Formensprache und Gestaltung besitzt.
Allerdings darf auch bei diesem Bau nicht auf den historisch-politischen Kontext vergessen werden, so erfahren wir aus der Inschrift einer Tafel am bereits gezeigten Eingangsbereich in der Ehamgasse von der Vertreibung der Ryfka Feuchtbaum und ihrer damals erst 3-jährigen Tochter Toska, nach der heute ein Weg im 11. Bezirk, im Bereich der Mautner Markhof-Gasse, benannt ist. (-> 11., Toskaweg)
VHS Simmering/ Kulturverein Simmering, Gedenktafel in der Ehamgasse 8 (Friedrich-Engels-Hof),
Enthüllung 1999.
Bildnachweis: https://rotespuren.at/blog/2020/06/10/holocaustopfer-ryfka-und-toska-feuchtbaum/.
Als ein weiteres bekanntes und prominentes Beispiel der Herderpark-Serie möchte ich nun den „Dr.-Franz-Klein-Hof“ vorstellen, welcher 1924 bis 1925 von Karl Alois Krist erbaut und nach dem Juristen Dr. Franz Klein, der im Bereich der Jugendfürsorge und des Jugendschutzes tätig war, [6] benannt wurde. Bekannt wurde Krist vor allem durch diverse andere Wohnhaussiedlungen wie dem George-Washington-Hof (10. Bezirk, zusammen mit Robert Oerley) oder dem Anton-Schrammel-Hof (11. Bezirk, Kopalgasse 55-61). [7]
Karl Alois Krist, Franz-Klein-Hof, 1924/25.
Spitzerker in Dreiecksform beleben die sonst blockhafte Front Am Kanal.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
Diese Anlage, bereits deutlich größer als etwa der „Alfons-Petzold-Hof“, beherbergt 223 Wohnungen, im parkähnlich angelegten Innenhof findet sich ein weiterer viergeschoßiger Baukörper, der durch Arkaden mit dem massiven Außenbau verbunden ist.
Bildvergleich: Fassadengestaltung Am Kanal und Herderplatz/ Ecke Herbortgasse.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
Während die Front entlang der Grillgasse und des Abschnitts Am Kanal trotz eines durchlaufenden Friesbandes mit Blattornamenten sowie kleinem Kanterkern sehr blockhaft wirkt, bilden spitzbogige Fenster und ein Arkadengang entlang der Herbortgasse sowie des Herderplatzes, bedingt durch den Geländeabfall, den aufgelockerten Unterbau dieses Gebäudeteils. [8]
Interessant gestaltet präsentieren sich auch die geschlossenen Spitzbogendurchgänge, welche durch die flankierenden Pfeiler sowie die fischgrät- bzw. gitterartigen Dekorelemente ein bisschen an Tore von Burgen oder Schlössern denken lassen.
Torbogen im Bereich Am Kanal.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
Als besondere Zierelemente im begrünten Innenhof, in dem von Bewohner*innen sogar kleine Beete angelegt wurden, wären hier vor allem die beiden Kinderfiguren von Siegfried Bauer [9] an dem hofseitig gelegenen Arkadengang des ehemaligen Kinderhorts zu nennen. Des Weiteren findet sich ein Marmortondo mit dem Reliefkopf des Namensgebers Dr. Franz Klein von Wilhelm Fraß aus dem Jahre 1932 im Eingangsbereich Herbortgasse. [10] An die Ereignisse der Februarkämpfe 1934 erinnert zudem eine Gedenktafel neben dem Eingangsbereich Ecke Am Kanal/Grillgasse.
Gedenktafel an der Fassade Grillgasse.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
Beitragersteller: Thomas Pelikan
[1] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Friedrich_Engels.
[2] https://www.wienerwohnen.at/hof/135/Friedrich-Engels-Hof.html.
[3] Bundesdenkmalamt, Dehio Wien, X. bis XIX. und XXI. Bis XXIII. Bezirk, Horn/ Wien 2017, S. 66.
[4] Friedrich Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Band III/1, Wien 2010, S. 298.
[5] Bundesdenkmalamt, Dehio Wien, X. bis XIX. und XXI. Bis XXIII. Bezirk, Horn/ Wien 2017, S. 66.
[6] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Franz_Klein.
[7] https://www.wienerwohnen.at/hof/130/Dr-Franz-Klein-Hof.html.
[8] https://www.wienerwohnen.at/hof/130/Dr-Franz-Klein-Hof.html, bzw. Bundesdenkmalamt, Dehio Wien, X. bis XIX. und XXI. Bis XXIII. Bezirk, Horn/ Wien 2017, S. 66.
[9] Peter Autengruber/ Ursula Schwarz, Lexikon der Wiener Gemeindebauten, Wien 2023, S. 96.
[10] https://www.wienerwohnen.at/hof/130/Dr-Franz-Klein-Hof.html, bzw. Dehio Wien, S. 66, bzw. Peter Autengruber/ Ursula Schwarz, Lexikon der Wiener Gemeindebauten, Wien 2023, S. 37,38.
Da sich Wilhelm Fraß (1886-1968) während der NS-Zeit immer wieder lautstark für das Regime eingesetzt hatte, wurden seitens der Stadt Wien Zusatztafeln an seinen Werken im öffentlichen Raum angebracht, nur beim Dr. Franz-Klein-Hof gibt es diese Zusatztafel nicht. Sein ehrenhalber gewidmetes Grab am Wiener Zentralfriedhof wurde ihm 2012 aberkannt.
Kommentar hinzufügen
Kommentare