Zu Beginn der wärmeren Jahreszeit möchte ich diesen und die beiden folgenden Beiträge dazu nutzen, den Herderplatz [1] samt Parkanlage und Umgebung vorzustellen und andererseits dazu einladen, das Gebiet, vielleicht im Rahmen eines Spazierganges, in seiner Gesamtheit wahrzunehmen. Dieses außergewöhnliche Großprojekt ist in seiner heutigen Erscheinungsform einzigartig in ganz Wien. Hier wird ein großer, zentraler Grünraum unweit des Enkplatzes (mit dem Bezirksamt samt Bezirksmuseum und Neusimmeringer Pfarrkirche) sowie des heutigen Polkorabplatzes (ehemaliger Simmeringer Markt mit der Volkshochschule Simmering) nahezu ausschließlich von kommunalen Wohnbauten aus der Mitte der 1920er-Jahre umschlossen. Allein der Park mit seinen rund 40.470 m² ist der bis dato größte in Simmering [2], dies unterstreicht einmal mehr seine außergewöhnliche Bedeutung. Allerdings wurde die Parkanlage erst 1930, das Kinderfreibad ein Jahr zuvor, unter dem Gartenarchitekten Fritz Kratochwjle gestaltet und eröffnet, auf dem Gebiet des heutigen Ballspielplatzes mit dem Gebäude der ehemaligen Milchtrinkhalle befand sich im Zweiten Weltkrieg ein Luftschutzbunker. [3]
Gesamtplan des Herderparks mit Verbindung zum Simmeringer Markt, heute Standort der VHS Simmering (im Straßendreieck Geiselbergstraße, Lorystraße, Gottschalkgasse), von West nach Süd im Plan durch die Schnellbahntrasse/ den ehemaligen Wr. Neustädter Kanal begrenzt. Schwarz markiert sind dabei die kommunalen Wohnbauten sowie die Gebäude des Kinderfreibads und der Milchtrinkhalle, nach 1930.
Bildnachweis: Friedrich Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Band III/1, Wien, S. 298.
Das gesamte Areal entspricht in seiner äußeren Form einem Trapez, westlich wird dieses entlang der heutigen Bahntrasse der S7 (früher auch des ehemaligen Wiener Neustädter Kanals) von Westen nach Süden begrenzt. Im Norden verläuft die Grenze entlang der Geiselbergstraße, von Süden nach Osten entlang der Grillgasse und von Norden nach Osten entlang der Lorystraße.
Das Areal des Herderparks um 1928.
In der linken Bildhälfte hinter dem Bahndamm steht noch ein Kleingartenhaus,
dahinter bereits die Doppelschule Herderplatz.
Rechts davon der Friedrich Engels-Hof, sowie der Dr.-Franz-Klein-Hof,
Bildnachweis: Johannes Hradecky, Eisenbahn in Simmering, Erfurt 2021, S. 62.
Auf diesem Gelände befanden sich nach Ende des Ersten Weltkrieges einige Kleingärten [4]. Einzelne Fotodokumente, wie das oben gezeigte, bezeugen bereits die als Doppelbau heute noch vor Ort befindliche Herderschule [5] inmitten einer undefinierten riesigen Freifläche mit einem einzelnen Kleingarten als Überrest. Von 1919-1920 wurde schließlich auch das bereits 1910/11 geplante Bundes- und Realgymnasium Gottschalkgasse errichtet [6], in weiterer Folge sodann die ersten kommunalen Wohnbauten als Randverbauung in ihrem noch heute bestehenden Erscheinungsbild. [7]
Der Herderpark mit Kinderfreibad und Jugendsportzentrum (ganz links im Bild).
Im Hintergrund links der Franz-Scheu-Hof, rechts der Laurenz Widholz-Hof, um 1930.
Bildnachweis: Helfried Seemann/ Christian Lunzer, Simmering Album. 1880-1930, Wien 2003, Bild 58.
Von den zwischen 1923-1926 entstandenen, unterschiedlich konzipierten Wohnanlagen, möchte ich nun zu Beginn die älteste vorstellen – den Alfons Petzold-Hof.
Bildnachweis: Helfried Seemann/ Christian Lunzer (Hg.), Simmering Album. 1880-1930, Wien 2003, Bild 59.
Dieser Bau wurde als erstes kommunales Wohnhaus Simmerings [8] um 1923/24 nach Plänen von Adolf Stöckl erbaut [9] und später nach dem Arbeiterdichter Alfons Petzold [10] benannt. Direkt an das Gymnasium Gottschalkgasse anschließend gelegen, greift die Westfront den konkaven Schwung des Herderplatzes hinter der Herderschule auf. [11] Die Anlage umfasst sieben Stiegenhäuser mit 93 Wohnungen, [12] erstmals tritt hier die äußere Erscheinung durch Akzente wie kleinere Erker, jedoch ohne straßenseitige Balkone, auf. Als frühes Beispiel des kommunalen Wohnbaus wären hier Elemente einer abwechslungsreichen Baukörpergliederung durch abgestufte Gebäudeteile sowie einer daraus resultierenden interessanten Dachlandschaft zu nennen. [13] Auch verleihen die unterschiedlich großen Doppelfenster-Einheiten der nahezu flachen Fassade eine gewisse Dynamik und Aktivität.
Detailaufnahmen des Alfons-Petzold-Hofs. Erker mit Spiralrahmung, Stiegenzugang.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
Als unaufdringliche Zierelemente können hier in Form expressionistischer Ausprägungen unter anderem gegiebelte Eingangsbereiche, mit Spiralrahmung eingefasste Erkerfenster und die Anordnung der Gesimse genannt werden. [14]
Links: Alfons Petzold-Hof Ecke Herderplatz/ Hakelgasse, aktuelle Ansicht.
Rechts: Gedenktafel.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
Überraschend fällt die Ecklösung von Herderplatz und Hakelgasse aus, hier finden sich schmale Fenster in Dreiergruppen zusammengefasst, [15] sie sorgen durch diese Rhythmisierung für eine weitere interessante „Schauseite“, die Platz für die spätere Benennung des Hofes lässt. Eine Gedenktafel an der Lorystraße verweist zudem auf die vom NS-Regime 1938 delogierte Familie Duschner. (siehe Abb. rechts)
Kaym/ Hetmanek/ Gorge, Karl-Höger-Hof, Portal mit Fassade. Aktuelle Aufnahme.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
Gegenüber dem Alfons-Petzold-Hof finden wir auf der anderen Straßenseite der Hakelgasse den Karl-Höger-Hof, welcher von den uns bereits bekannten Architekten der Selbstversorgersiedlungen (Blogbeitrag Februar 2025) Franz Kaym und Alfons Hetmanek, hier zusätzlich verstärkt durch Hugo Gorge, 1925/26 errichtet und nach Karl Höger, einem Gewerkschaftsvertreter der Buchdrucker, benannt wurde. [16] Erwähnenswert an dieser Stelle sei der Hinweis auf Hugo Gorge, der innerhalb der „Werkbundsiedlung“ im 13. Wiener Gemeindebezirk 1930/32 ein Doppelhaus errichten konnte.
Fassadendetail Karl-Höger-Hof, aktuelle Aufnahme.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
Dieser Bau ist mit 219 Wohnungen auf 17 Stiegen bereits deutlich größer und umfasst fast vollständig einen gesamten Häuserblock. [17] Die vier- bis fünfgeschoßige Anlage besticht vor allem durch ihre markante, zwei Geschoße umfassende Einfahrt. Die Torrahmung sowie die angedeuteten, kaum aus der Fassade hervortretenden, jeweils vier Fenster zusammenfassenden Erker dominieren durch ihre ornamentale Ausgestaltung und lassen bereits den anschließenden Friedrich-Engels-Hof (ebenfalls durch diese drei Herren ausgeführt, folgt im Blogbeitrag Juni 2025) andenken.
Innenansicht Karl-Höger-Hof mit Mehrzwecksaal und Kindergarten, aktuelle Ansichten.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
Als zwei soziale Komponenten innerhalb der Anlage sind ein heute als Mehrzwecksaal genutzter Innenraum mit Bühnenvorrichtung zu nennen (siehe Abb. links), der in früheren Tagen als "Haus der Begegnung" der Zusammenkunft von Mieter*innen diente und heute vor allem von Institutionen und Vereinen von außen genutzt wird. Direkt gegenüber befindet sich ein Kindertagesheim, [18] im verbliebenen Freiraum ist auch noch Platz für kleinere öffentliche Grünbereiche.
Gedenktafel am Brunnen im Karl-Höger-Hof anlässlich des 100. Geburtstages von Karl Höger.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
Die historisch besonders bedeutsame Stellung des Karl-Höger-Hofs findet sich darüber hinaus in der Tatsache, dass dieser während der Februarkämpfe 1934 als zentrale Stelle des Republikanischen Schutzbundes in Simmering genutzt wurde. [19]
Beitragersteller: Thomas Pelikan
[1] Platz und Park sind benannt nach dem Dichter und Philosophen Johann Gottfried von Herder (1744-1803).
[2] https://www.wien.gv.at/umwelt/parks/anlagen/herder.html.
[3] Ergänzend möchte ich an dieser Stelle auf einen Artikel von Hans Havelka, Wie der Herderpark um ein Jahr jünger wurde, in: Simmeringer Museumsblätter, Heft 26, S. 95-98. hinweisen.
[4] https://www.wienerwohnen.at/hof/131/Alfons-Petzold-Hof.html.
[5] Rudolf Otto Gerger erbaute die Volksschule 1910/11. Der Begriff Doppelschule bedeutet, dass Knaben und Mädchen in architektonisch getrennten Gebäuden unterrichtet wurden, siehe Bundesdenkmalamt, Dehio Wien, X. bis XIX. und XXI. Bis XXIII. Bezirk, Horn/ Wien 2017, S. 66.
[6] Bundesdenkmalamt, Dehio Wien, X. bis XIX. und XXI. Bis XXIII. Bezirk, Horn/ Wien 2017, S. 64.
[7] Friedrich Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Band III/1, Wien, S. 298.
[8] Ursula Schwarz, Simmeringer Gemeindebauten, in: Simmeringer Museumsblätter, Heft 62/63, S. 661.
[9] Friedrich Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Band III/1, Wien, S. 298.
[10] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Alfons_Petzold.
[11] bzw. Bundesdenkmalamt, Dehio Wien, X. bis XIX. und XXI. Bis XXIII. Bezirk, Horn/ Wien 2017, S. 64,66.
[12] https://www.wienerwohnen.at/hof/131/Alfons-Petzold-Hof.html.
[13] Bundesdenkmalamt, Dehio Wien, X. bis XIX. und XXI. Bis XXIII. Bezirk, Horn/ Wien 2017, S. 66.
[14] Bundesdenkmalamt, Dehio Wien, X. bis XIX. und XXI. Bis XXIII. Bezirk, Horn/ Wien 2017, S. 66.
[15] https://www.wienerwohnen.at/hof/131/Alfons-Petzold-Hof.html.
[16] https://www.wienerwohnen.at/hof/134/Karl-Hoeger-Hof.html.
[17] https://www.wienerwohnen.at/hof/134/Karl-Hoeger-Hof.html.
[18] Bundesdenkmalamt, Dehio Wien, X. bis XIX. und XXI. Bis XXIII. Bezirk, Horn/ Wien 2017, S. 73.
[19] Ursula Schwarz, Simmeringer Gemeindebauten, in: Simmeringer Museumsblätter, Heft 62/63, S. 664.
Kommentar hinzufügen
Kommentare