Den diesjährigen Blogbeitrags-Zyklus möchte ich unter dem Motto „Geschichte(n) in Simmering, von Fassaden erzählt“ gestalten, wo ich versuchen werde, anhand von Wandbildern im öffentlichen Raum die Bezirksgeschichte aufzuzeigen.
Diesen Monat starte ich mit Darstellungen an der Simmeringer Hauptstraße, dem ältesten Verkehrsweg des Bezirks, der bereits in der Antike als Militärstraße zwischen Vindobona und Carnuntum erwähnt wird. [1] An der Fassade der Liegenschaft Simmeringer Hauptstraße 12 findet sich eine Inschrift, die einen kurzen geschichtlichen Abriss der Straße wiedergibt:
Inschriftentafel an der Simmeringer Hauptstraße 12 mit Beschreibung der antiken Altbestände bis zur Donaumonarchie, angebracht 1949 vom Alt-Simmeringer Club.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
Im Zuge von archäologischen Grabungen (1978/79) wurde im Untergeschoß der St. Laurenzkirche (Alt Simmering) in einem Gruftraum Bauschutt unter anderem auch von römischen Mauerziegeln gefunden, einer enthielt den erkennbaren Stempel „LEGIO DECIMA GEMINA PIA FIDELIS“, ein Hinweis auf die X. Legion, die in Vindobona stationiert war. [2] Dies führte zu der Annahme, dass sich an dieser Stelle möglicherweise ein (Wach)Turm an der Limesstraße befunden haben könnte.
Bildlich dargestellt findet sich ein Hinweis darauf stadteinwärts (Simmeringer Hauptstraße 16) an einer Balkonverkleidung im ersten Stockwerk dieses Hauses: „172 [n. Chr.] Roemerstrasse“.
„172 Roemerstrasse“, Simmeringer Hauptstraße 16, erster Stock.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
Ein weiteres interessantes Detail zu dieser Adresse besagt, dass sich zur Biedermeierzeit an dieser Stelle das Lindenbauer-Casino befand, ein beliebtes Ausflugsziel der Wiener, in dem es zur "Inspiration" des Serailtänze-Walzers (opus 5) von Johann Strauß Sohn kam. [3]
Am Balkon des heutigen Hauses im zweiten Stockwerk finden wir uns nun mit der Darstellung eines unrühmlichen Ereignisses aus dem Mittelalter konfrontiert, den Kreuzzügen.
„1189 Kreuzzuege“, Simmeringer Hauptstraße 16, zweiter Stock.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
Ob ein direkter Bezug zu Simmering besteht, lässt sich nicht eindeutig feststellen, allerdings fand ich heraus, dass die europäische Landroute ins Heilige Land im Zuge des Dritten Kreuzzuges (1189-1192) unter Friedrich I. Barbarossa von Regensburg ausgehend über Wien erfolgte. [Belegt ist der 18. 05. 1189 mit dem Empfang durch Herzog Leopold V.] [4]
„1683 Tuerkenbelagerung“, Simmeringer Hauptstraße 16, dritter Stock.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
Wieder einen Stock darüber sehen wir eine Darstellung mit Bezug auf die Zweite Türkenbelagerung von 1683. Die Osmanen näherten sich Wien auch vom Südosten her, dabei erreichten sie am 14. Juli Schwechat [5] und schlugen ihre Zelte auf dem Areal des Schlosses Neugebäude auf. Möglich, dass auch sie den alten Verkehrsweg über die heutige Hauptstraße nahmen, um sich dem befestigten Wien zu nähern. Dieses Ereignis schildert Hans Havelka, indem er von der Flucht des Damenstifts zur Himmelpforte nach Wien berichtet, wobei diese 48 Eimer Bier zurückließen, welches sie „großmütigst“ den Bewohnern Simmerings überließen. Pater Bruno konnte zusammen mit Laienbruder Petrus gerade noch im letzten Moment 20 Eimer nach Wien „retten“. Weniger heiter lesen sich die hinterlassenen Schäden: 54% aller Häuser waren komplett zerstört, 46% beschädigt. Zusätzlich zu Plünderungen kam es auch zur Tötung sowie zur Versklavung der meisten nicht geflüchteten Einwohner*innen. [6]
Als letztes dieser Balkonreliefs findet sich ein Hinweis auf die Simmeringer Hauptstraße als Poststraße.
„1800 Poststrasse“, Simmeringer Hauptstraße 16, vierter Stock.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
In Bezug auf die Nutzung der Simmeringer Hauptstraße als Poststraße findet sich eine Erzählung über den alten „Poststeffel“. Nahe der Poststraße (heute: Krausegasse 1) war eine Pestgrube angelegt worden, um die Verstorbenen zu bestatten. (siehe Abb. unten) Eines Morgens fanden Dorfbewohner an dieser Stelle einen Postwagen, auf dessen Kutschbock ein Postillion scheinbar auf der Fahrt verstorben war, während seine Pferde erst hier gehalten hätten. Tatsächlich findet sich ein Totenbucheintrag vom 30. Oktober 1713 mit dem Vermerk über den Tod eines schwäbischen Kuriers. [7]
Inschriftentafel an der Krausegasse 1 mit Beschreibung Pestgrube, angebracht 1947 vom Alt-Simmeringer Club.
Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.
Napoleon „besuchte“ zwei Mal Wien (1805 und 1809), um von hier aus in das Marchfeld zu gelangen. Von einem Memorabilienbuch berichtet Hans Havelka, dass die Truppen im Mai 1809 Häuser abdeckten (im Bereich der heutigen Kopalgasse sowie Hauffgasse), die bäuerlichen Betriebe enteigneten sowie Wagen und Vieh mitnahmen. Im Brauhaus des Herrn Dittmann (zwischen Dorfgasse und Hauptstraße) hatten sich die Offiziere einquartiert, Kirchen und Privathäuser wurden von den Fußtruppen am nächsten Tag leergeräumt, erst im Oktober zogen die Truppen, vielleicht auch über die Simmeringer Hauptstraße, letztendlich wieder ab. [8]
Beitragersteller: Thomas Pelikan
[1] Hans Havelka, Simmering. Geschichte des 11. Wiener Gemeindebezirks und seiner alten Orte, hg. von Felix Czeike, Wien 1991, S. 14.
[2] Hans Havelka, Simmering. Geschichte des 11. Wiener Gemeindebezirks und seiner alten Orte, hg. von Felix Czeike, Wien 1991, S. 14.
[3] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Simmeringer_Hauptstra%C3%9Fe.
[4] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Friedrich_I._Barbarossa.
[5] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Zweite_T%C3%BCrkenbelagerung_(1683).
[6] Hans Havelka, Simmering. Geschichte des 11. Wiener Gemeindebezirks und seiner alten Orte, hg. von Felix Czeike, Wien 1991, S. 28-29.
[7] Hans Havelka, Simmering. Geschichte des 11. Wiener Gemeindebezirks und seiner alten Orte, hg. von Felix Czeike, Wien 1991, S. 31.
[8] Hans Havelka, Simmering. Geschichte des 11. Wiener Gemeindebezirks und seiner alten Orte, hg. von Felix Czeike, Wien 1991, S. 34-35.
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